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Eine Depression kann man nicht nachfühlen

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, wer ist das schon wirklich? Doch es gibt Menschen, die an einer Krankheit leiden, die sie genau solche extreme Höhen und Tiefen erleben lässt. Manfred Lütz schreibt: „Erfahrene Psychiater sagen, dass man bei langer Erfahrung eine Schizophrenie einigermaßen nachvollziehen könne, eine tiefe von innen heraus aufsteigende Depression, eine Melancholie, dagegen könne man nicht nachfühlen.“ Das Wort Depression führt da meist in die Irre. Denn darunter versteht manch einer die heftige Trauer beim Tod eines geliebten Menschen oder auch schon bei einer schmerzhaft erlebten Trennung, bei der es einem tage- oder wochenlang nicht gut geht. Doch das ist meilenweit entfernt von dem, was ein von innen heraus depressiver Mensch erlebt. Dr. med. Dipl. theol. Manfred Lütz ist Psychiater, Psychotherapeut, Kabarettist und Theologe.

Traurigkeit ist eine normale Emotion

Der amerikanische Psychotherapeut Steve de Shazer hat einmal gesagt, Depression sei zwar das Lieblingswort von Therapeuten, doch im Grunde wisse keiner genau, was das eigentlich ist. Denn jeder verbindet mit dem Wort „Depression“ etwas höchst Subjektives. Manfred Lütz ergänzt: „Jeder erinnert sich beim Wort „Depression“ an Phasen seines eigenen Lebens, in denen es ihm nicht so gut ging. Meist waren es irgendwelche traurigen Ereignisse, bei denen die Stimmung absackte.“

Doch das alles hat mit einer krankhaften Depression gar nichts zu tun. Manfred Lütz erläutert: „Auf traurige Lebensereignisse mit Traurigkeit zu reagieren, ist nicht krank, sondern normal. Und wenn Normale, angeregt durch geschäftstüchtige Psychoexperten, diese Befindlichkeitsstörungen zu Krankheiten aufblähen, wenn sie sich durch übertriebene Selbstbeobachtung in eine psychische Störung hineingrübeln, dann schaden sie sich selbst.“ So ist das Wort „Depression“ prekär und man hat versucht, die schwere, von innen her kommende Depression „Melancholie“ zu nennen, um sie von der allgegenwärtigen „Depression“ zu unterscheiden.

Eine Depression ist eine Stoffwechselstörung im Gehirn

Doch das konnte sich nicht durchsetzen. Eines jedenfalls ist klar: Die hier gemeinte schwere Depression ist nicht irgendeine Verstimmung, die man einfach durch belastende Lebensereignisse erklären kann, selbst wenn unspezifischer Stress auch hier in einzelnen Fällen als Auslöser – aber nicht als Grund – auszumachen ist. Manfred Lütz betont: „Die schwere Depression ist nicht nur eine Überanstrengung oder ein „Burn-out“. Gerade weil im Übrigen auch hier wieder die armen Angehörigen so oft ungerecht beschuldigt werden, muss klar gesagt werden, dass an dieser schweren, von innen kommenden Depression niemand „schuld“ ist.“

Am besten beschreibt man diese Depression also als Stoffwechselstörung im Gehirn, die man vor allem mit Stoffwechselprodukten, nämlich Medikamenten“ behandelt. Manfred Lütz weiß: „Die Krankheit hat jedenfalls eine Eigendynamik, die sich in schweren Stadien dem beruhigenden Gespräch und dann auch der professionellen Psychotherapie entzieht.“ In ihren ganz schweren Formen geht sie sogar mit depressivem Wahn einher: Verarmungswahn, Schuldwahn und der Wahn, nie mehr gesund werden zu können. Quelle: „Neue Irre!“ von Manfred Lütz

Von Hans Klumbies

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